Lieber Leser,

der EuGH hat die Deutschen wieder in die EU geführt, nachdem die Germanen sich mit der Begründung, das EU-Arbeitszeitrecht gelte für sie nicht hinter den arbeitszeitrechtlichen Limes zurückgezogen hatten. Nunmehr steht auch für den letzten „Thomas“ fest: Auch in Deutschland ist Bereitschaftsdienst „Arbeitszeit“. Damit geniessen nun auch deutsche Ärzte arbeitsrechtliche Standards, die seit langem in Portugal und Spanien.

Scherz beiseite ... nachdem der EuGH in der "SIMAP" Entscheidung (EuGH C3303/98) aus dem Jahr 2000 festgestellt hat, dass Bereitschaftsdienste, die in den Diensträumen des Arbeitgebers geleistet werden, als Arbeitszeit zu sehen sind, schien das Problem einer Lösung im Sinne der Arbeitnehmer näher. Als dann auch deutsche Gerichte (LAG Hamm, ArbG Kiel, ArbG Gotha) dem EuGH gefolgt sind und das Arbeitszeitgesetz europarechtskonform ausgelegt haben, meinte man davon ausgehen zu können, dass das Problem auch ohne gesetzgeberisches Eingreifen im Wege der Gesetzesauslegung zu lösen sei. Selbst als das Bundesarbeitsgericht (Beschluß vom 18.02.2003, 1 ABR 2/02) sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt hat und dabei der Linie des EuGH gefolgt ist und festgestellt hat, dass Bereitschaftsdienste in den Räumen des Arbeitgebers als Arbeitszeit zu werten sind, versuchten Politik und Krankenhäuser weiterhin, die Rechtslage auszusitzen. Das Bundesarbeitsgericht hat dem deutschen Gesetzgeber eine schlampige Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Arbeitszeit RL 93/104 vom 23.11.1993 bescheinigt und ihn aufgefordert, diesen Mißstand zu beseitigen. Es wäre sicher lohnenswert zu prüfen, ob sich die Bundesrepublik Deutschland wegen der fehlerhaften Umsetzung der Richtlinie schadensersatzpflichtig gemacht hat.

Ein weiteres Problem, das die BAG Entscheidung aufwirft ist, dass nun zwischen privatem und staatlichem Arbeitgeber differenziert werden muss. Während bei einem privaten Arbeitgeber das Vertrauen in die richtige Umsetzung der Richtlinie geschützt wird und aus diesem Grund eine Gleichsetzung von Bereitschaftsdienst und Ruhezeit bis zu einer Gesetzesänderung nicht möglich ist, kommt bei einem staatlichen Arbeitgeber eine direkte Anwendung der Richtlinie in Betracht. Dies führt zu einer kaum haltbaren Situation im Wettbewerb insbesondere öffentlicher Krankenhäuser mit privaten Einrichtungen, die ein dringendes Eingreifen des Gesetzgebers notwendig macht. Diesen Prozess wird man wohl im Zusammenhang mit der geplanten Gesundheitsreform sehen müssen.

In den nächsten Tagen werden wir hier die Konsequenzen aus der EuGH Entscheidung darlegen. Im Diskussionsforum der Competence-Site können Sie mit Experten über das neue Urteil diskutieren.....

Informationen zur aktuellen Entwicklung der deutschen und europäischen Rechtsprechung zum Thema Bereitschaftsdienst finden Sie unter der Rubrik "Das aktuelle Thema"

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Michael W. Felser